Offener Brief an die Vorsitzenden der Vereinigungen und Sonderorganisationen der CDU Thüringen:

  • Lilly Krahner, Junge Union Thüringen
  • Evelin Groß, Frauen Union Thüringen
  • Rolf Berend, Senioren Union Thüringen
  • Jörg Kellner MdL, Kommunalpolitische Vereinigung der CDU Thüringen
  • Gerd Albrecht, Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Thüringen
  • Egon Primas, Ost- und Mitteldeutsche Vereinigung der CDU Thüringen
  • Prof. Dr. Jens Goebel, Evangelischer Arbeitskreis der CDU Thüringen
  • Marion Walsmann MdEP, Arbeitskreis Christlich-Demokratischer Juristen der CDU Thüringen
  • Pascal Pastoor, Ring-Christlich-Demokratischer-Studenten Thüringen
  • Elias Wehling, Schüler Union Thüringen

Betreff: Ihre „Erklärung“ vom 06.02.2020, veröffentlicht über die Homepage der CDU Thüringen

Samstag, 08.02.2020

Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Interesse habe ich Ihre oben bezeichnete Erklärung gelesen, auch wenn ich bedaure, dass diese inzwischen wieder beseitigt worden ist (nicht mehr zu Ihrem Schreiben führender Link https://www.cdu-thueringen.de/aktuelles/2020/erklaerung-der-vorsitzenden-der-vereinigungen-und-sonderorganisationen-der-cdu-thueringen).

Sie schreiben, Zitat Anfang:

„Die CDU Thüringen ist zu den Landtagswahlen 2019 mit dem Ziel angetreten, Rot-Rot-Grün durch eine Koalition der Mitte abzulösen. Daraus ergab und ergibt sich logisch, Koalitionen mit der LINKEN oder der AfD auszuschließen. Daher hat die CDU Thüringen gemeinsam mit der FDP, der SPD und Bündnis90/Die Grüne Gespräche über eine Minderheitsregierung, eine sogenannte Simbabwe-Koalition angeboten. Durch den Altministerpräsidenten Dieter Althaus ist die Idee einer „Projekte-Regierung“ unterhalb der Schwelle einer Koalition mit der LINKEN ins Gespräch gebracht worden. Die LINKE zeigte sich desinteressiert daran, dieses Modell auszuloten und schuf mit ihren durch die Festsetzung eines Termins für die Ministerpräsidentenwahl Fakten.

Wir bedauern dies ausdrücklich. Niemand hat Bodo Ramelow daran gehindert, weiter geschäftsführend im Amt zu bleiben. Gut drei Monate nach den Landtagswahlen in Thüringen hat Rot-Rot-Grün sich dem Risiko ausgesetzt, mit einer Minderheitsregierung zur Ministerpräsidentenwahl anzutreten und zu scheitern. Nur deshalb mussten sich die Abgeordneten des Thüringer Landtags am 5. Februar 2020 zwischen dem Kandidaten eines rot-rot-grünen Minderheitskabinetts, einem Kandidaten der FDP, einer liberalen Partei der bürgerlichen Mitte, oder einem Kandidaten der AfD entscheiden. Die CDU-Fraktion ist nicht dafür verantwortlich, welche Kandidaten andere Fraktionen aufstellen und wie Abgeordnete des Thüringer Landtags aus anderen Fraktionen abstimmen.

Im Ergebnis ist der Kandidat der FDP, Ministerpräsident Thomas Kemmerich, mit knapper Mehrheit in sein Amt gewählt worden. Die Alternative wäre gewesen einem von der LINKEN geführten Regierungsbündnis den Weg zu ebnen, eines Bündnisses, das ausweislich seines Koalitionsvertrags nahtlos an die von der CDU-Fraktion vielfach kritisierte ideologische Politik der abgewählten rot-rot-grünen Landesregierung anknüpft. Diese Politik haben die Wählerinnen und Wähler am 27. Oktober 2019 jedoch abgewählt. Die CDU-Landtagsabgeordneten haben für dieses Abstimmverhalten unsere ausdrückliche Unterstützung.

Für die Bildung einer Landesregierung durch Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich erwarten wir, dass sie konsequent ohne Beteiligung der AfD oder der LINKEN gebildet wird. Die Beweggründe dafür sind vielfach beschrieben. Wir vertrauen den entsprechenden Zusagen des Ministerpräsidenten und erwarten, dass die CDU-Fraktion unter dieser Voraussetzung konstruktiv mit dem Ministerpräsidenten zusammenarbeitet, obgleich uns andere Regierungsmodelle lieber gewesen wären. Es darf in Thüringen weder Stillstand geben, noch sind Neuwahlen eine Antwort auf die entstandene Situation. Auch angesichts der Tatsache, dass wir uns ein besseres Wahlergebnis der CDU Thüringen gewünscht hätten, sind wir davon überzeugt, dass man Bürgerinnen und Bürger nicht so lange an die Wahlurnen bitten sollte, bis das Ergebnis passt.

Auch die von Ministerpräsident Thomas Kemmerich zu bildende Regierung wird eine Minderheitsregierung sein. Die SPD und Bündnis90/Die Grünen haben es entsprechend der Einladung des Ministerpräsidenten in der Hand, an der Aufstellung und Arbeit dieser Regierung mitzuwirken. Unabhängig davon wird auch diese Regierung sich Mehrheiten für ihre Vorhaben im Thüringer Landtag suchen müssen. Für die parlamentarische Arbeit müssen nach unserer festen Überzeugung die Inhalte und die Qualität der Anträge entscheidend sein. Ort der Suche nach erforderlichen Kompromissen sind das Plenum und die Ausschüsse des Thüringer Landtags. Unter diesen Bedingungen hat eine Regierung Kemmerich gute Chancen Thüringen voranzubringen und den Zusammenhalt im Land zu stärken. Das erwarten wir."

Zitat Ende.

Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen zu diesen Zeilen gratuliere und um einige wenige Gedanken (aus Zeitgründen in Stichworten) ergänze:

Rot-Rot-Grün hat mit der AfD kalkuliert:
- Rot-Rot-Grün hat keine Mehrheit im Landtag, ist vielmehr in der Landtagswahl abgewählt worden. Dass sie dennoch mit der Wahl ihres Kandidaten Ramelow im Landtag rechneten, lag einzig und allein an der sicher geglaubten einfachen Mehrheit im dritten Wahlgang. Selbst wenn alle „Gegner“ des rot-rot-grünen Pakts mit „nein“ stimmen, ist Ramelow dennoch gewählt!
- Rot-Rot-Grün hat damit kalkuliert, dass im dritten Wahlgang den Gegnern eines rot-rot-grünen Bündnisses die Stimmen der AfD zu einem eigenen Gegenkandidaten fehlen würden und es ihnen (rot-rot-grün) daher zu einer einfachen Mehrheit reichen würde!
- Ergebnis: Rot-Rot-Grün hat mit der AfD kalkuliert!
CDU- Landtagsabgeordnete haben sich „sauber“ verhalten:
- Entscheidende Frage: gab es eine Absprache zwischen CDU, FDP und AfD, sich auf den Kandidaten Kemmerich zu verständigen? Wenn ja: wäre das strikt abzulehnen.
- Gab es aber eine solche Absprache nicht (und ich habe davon bis heute noch nichts gehört, niemand hat das bisher behauptet oder gar bewiesen), dann ist die Wahl Kemmerichs ohne Makel! Schließlich hat dieser auch bei der AfD niemals um Unterstützung geworben und sich auch zeitlich nach seiner Wahl klar von ihr abgegrenzt.

Ich wünsche Ihnen Mut und Kraft. 1989 sollte nicht umsonst gewesen sein.
Mit freundlichen Grüßen,

Stephan Lenz

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